Deutschland fiebert dem Farmer-Update entgegen, auch Panda-Update genannt. Warum hat es einige wichtige Seiten in den USA getroffen, warum andere nicht und wen wird es hierzulande erwischen? Kaum ein anderes Thema wurde auf der letzten Campixx so viel diskutiert. In diesem Artikel will ich eines der potentiellen Leitkriterien für ein Farmer-Penalty untersuchen und auf dieser Basis eine kleine Prognose für den deutschen Markt stellen.
Brand-Traffic als Zeichen von Qualität
Welche Signale gibt es, an denen Google „low quality“ Content-Farmen erkennen könnte? Nun da gibt es sicher einige Kandidaten, aber vermutlich war das Prozedere nur halb so kompliziert wie Matt uns in seinen Statements glauben lassen will. Naheliegend ist sicher der Traffic-Mix: während reine SEO-Projekte ihren Traffic fast vollständig durch Google beziehen (search traffic), haben „Marken-Produkte“ in der Regel auch signifikanten Traffic aus anderen Quellen aufzuweisen:
- payed traffic
- brand traffic (navigational searches und branded searches)
- social traffic (facebook, twitter & co)
- direct traffic (bookmarks, type-ins)
- feed traffic
- weiterer refering traffic (mails, news, blogs, foren, …)
Google verfügt über ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten diesen Traffic zu messen: Feedburner, Adsense, Chrome, Analytics, Gmail, Googles Public DNS und die Google Toolbar. Eine Seite, die mehr als 90% search traffic bekommt, kann leicht identifiziert werden und ist mit einem solchen Traffic-Footprint potential als „Low-Quality“-Page verdächtig. Die Zeichen verdichten sich, dass das Farmer-Update vor allem Sites mit einem solchen Traffic-Profil getroffen hat. Nun verfügen wir nicht über die Möglichkeiten von Google, aber wir können versuchen trotzdem von „aussen“ einen Blick auf den Traffic Mix der betroffenen Sites werfen. Nicht auf das ganze Programm, aber zumindest auf den brand traffic. Dieser lässt sich ebenso wie der direct traffic am wenigsten manipulieren und dürfte damit auch eines der wichtigsten Signale für Google sein, um eine „gute“ Seite von einer „Farm“ zu unterscheiden. Alles was wir dazu brauchen ist ein Keyword-Tool mit Suchvolumen-Anzeige.
Die Methode: Normalisierte Google Trends Abfragen
Ein solches Tool ist z.B. Google Trends. Leider lässt dieses nur einen relativen Vergleich mit einem anderen Keyword zu, so dass man das Ergebnis „normalisieren“ muss. Da wir in unserem Fall Traffic messen wollen, der kaum vorhanden ist, müssen wir zur Normalisierung ein Keyword verwenden, dass ein zwar möglichst niedriges, aber doch messbares Suchvolumen hat. Da die Amerikaner in Sachen Bier echte Kostverächter sind, habe ich hier einfach mal „Becks“ genommen, da es diese Kriterien erfüllt. Ich habe außerdem den Januar gemessen, da in Folge des Farmer Updates im März das Interesse an einigen der betroffenen Domains recht groß war und wiederum bestätigt: jede Presse ist gute Presse.
Für suite101.com sieht der Query also ganz einfach so aus: klick. Achtung: die Zahlen dazu bekommt nur angezeigt, wenn man bei Google eingeloggt ist.
Da es jedoch verschiedene Arten von brand traffic gibt, muss ich zunächst noch einmal abgrenzen, welche Art wir messen können. Wir unterscheiden (mindestens) folgende Arten von brand traffic für eine Domain, z.b. suite101.com:
- domain searches, also „suite101.com“ oder „www.suite101.com“
- exact brand searches, also „suite101“
- alternative brand searches, z.B. „suite 101“
- branded searches, z.B. „suite101 earthquake“
Vor allem letzteres ist wieder schwierig für uns zu messen, da die Kombinationen einfach zu vielfältig sind und einzeln ein zu geringes Suchvolumen aufweisen. Alle weiteren Formen des brand traffics (oder der navigational searches) können wir problemlos abfragen.
Die Grundlage für die zu untersuchenden Domains bilden die Listen von Marcus und Johannes.
Brand-Traffic der durch das Farmer Update betroffenen Domains
Ein erster selektiver Blick auf die betroffenen Domains bestätigt die Vermutung, dass diese keinen brand traffic aufweisen. Lediglich suite101.com kann eine homöopathische Dosis verzeichnen, aber diese hat wohl nicht ausgereicht, um Google das Signal zu geben suite101 sei ein Brand.
Leider wird die Sache etwas komplizierter, wenn die zu untersuchende Domain Keywords enthält. Hier gibt es natürlich durchaus messbare Ausschläge bei Google Trends. Werfen wir also einen Blick auf diejenigen Verlierer, auf die das zutrifft:
Allen gemeinsam ist, dass nicht eine einzige domain searches aufweist. Traffic gibt es erst durch die Verwendung der Keywords. Google kann in der Regel aber ganz gut entscheiden, welche Suche navigational war und welche informational. Der einzige Ausreisser auf dieser Liste scheint mir mahalo.com zu sein. Zwar hat das Wort eine Bedeutung und auch eine Airline und ein Hersteller von Ukulelen heißt so, aber mir ist nicht bekannt dass es im amerikanischen Sprachgebrauch eine echte Rolle spielt. Auf der anderen Seite zeigt ein kurzer Blick auf Google, dass es locker 7,5 Mio Suchergebnisse zu mahalo gibt, womit die Chance von mahalo.com solche Suchen als navigational angerechnet zu bekommen wieder sinkt. Wir können also resümieren, das auch die Keyword-Domains unter den Farmer-Verlieren keinen navigational traffic bekommen, sondern nur keyword traffic, den Google gut zu differenzieren weiß.
Natürlich müssen wir jedoch noch einen Blick auf die Gewinner des Updates werfen.
Einige Gewinner haben sogar domain searches aufzuweisen und damit faktisch einen Persilschein von Google dafür bekommen, ein Brand zu sein. Es wird auch deutlich, warum eben yahoo answers NICHT abgestraft wurde: die Seite kann einen erheblichen Teil an brand searches aufweisen und unterscheidet sich damit z.B. signifikant von answerbag.com. Dasselbe gilt für ehow.com, die nicht nur relevante exact brand searches sondern sogar minimalste domain searches aufweisen. Die Entscheidung von Google diese nicht zu bestrafen erscheint damit nachvollziehbar.
Wen trifft es in Deutschland?
Wendet man diese Analyse auf den deutschen Suchmarkt an, so bekommt man recht schnell eine Ahnung, wer vom Rollout des Updates hier betroffen sein wird. Als Vergleichsbasis sollte man aber die Biersorte wechseln, Becks ist hierzulande einfach zu beliebt. 🙂 Sehr gut klappt es z.B. mit Heineken so auch für die Abfrage von suite101.
Wie erwartet, weisen die potentiellen Kandidaten wie eben suite101.de keinerlei brand traffic auf, genauso wie z.B. misterinfo.com. Auch wenn die Kollegen von sohomint im Angesicht der jüngsten Probleme mit misterinfo.de massiv an der Qualität arbeiten, würde misterinfo.com exakt in Googles Beuteschema passen.
Wie sieht es aber nun mit den deutschen Frage & Antwortportalen aus? Sehr unterschiedlich! Während gutefrage.net z.B. eine recht gute Menge an navigational searches verzeichnen kann, gibt es diese bei wer-weiss-was.de fast nicht. Das finde ich persönlich recht erstaunlich, da wer-weiss-was.de ein echtes Urgestein der deutschen Internetlandschaft ist und auch über eine treue, aber scheinbar eben sehr kleine Community verfügt. Hoffentlich reichen die anderen Brand-Signale dann aus, um einen Rankingverlust durch das Farmer-Update zu verhindern.
14 Responses to “Fehlender Brand-Traffic als Ursache für Panda”
Christoph C. Cemper
Wow, super Post
– muss in die Richtung auf jeden Fall selbst noch weiterrecherchieren…
Die Frage wie das mit Brand vs. Money Links bei Gewinnern / Verlierern ist
brennt mir unter den Nägeln
Christoph
Holger
Interessante Beleuchtung dieses Themas, da bin ich gleich noch mehr auf das tatsächliche Ergebnis gespannt.
Maximilian Waizmann
auch aus meiner Sicht ein hochinteressanter Post zu diesem Thema mit einem Ansatz, den ich so noch nicht gehört hatte.
Aber der Ansatz klingt absolut nachvollziehbar. Möglich, dass der Ansatz des Brand-Traffics nicht gänzlich alleine ausschlaggebend ist, aber es dürfte mit Sicherheit eine nicht ungewichtige Rolle beim Farmers Update spielen.
Markus Hartmann
Hört sich absolut schlüssig an. Und scheint die Brand-Diskussion in ihrer Wichtigkeit noch zu bestätigen.
Ulrich Roth
Danke für deinen Beitrag. Diese Argumentationslinie hat was. Das Brand ein immer stärker zu beachtentes Kriterieum ist, ist klar. Ich bin da zur Identifikation bisher mehr vor allem von „Adsens-Minen-Legern“ ausgegangen.
Axel Scheuering
Super Post!
Du schreibst, dass Google auch Trafficdaten aus Analytics heranziehen könnte. Ich dachte bislang, dass Google offiziell verlautbart, dass Analytics Daten nicht für das Ranking einer Webseite herangezogen werden. Gibt’s da was neues?
bert
@Axel
Nein, ich glaube nicht dass Google Analyticsdaten zum Ranking heranzieht. Das würde die Ergebnisse zwischen Seiten die es einsetzen und denen die es nicht tun zu sehr verfälschen.
ABER bei dem Farmer-Update haben wir es sehr wahrscheinlich mit einem überwiegend manuellen Update zu tun, das in den USA nur ca. 300 vorwiegend Trafficstarke Seiten betroffen hat (Aussage von Sistrix auf der Campixx). Da sich aber kaum ein Quality-Rater alle Seiten angesehen haben wird, wird vermutlich eine automatisierte Vorauswahl für Kandiaten getroffen worden sein. Um hier einfach den Aufwand zu reduzieren ist es vorstellbar, dass Google Analytics Daten verwendet hat um bei positiven Brandsignalen eine Seite gleich von der Kandidatenliste zu schmeissen.
Allerdings braucht Google das aber garnicht zu tun. Da Google die Begriffe, mit denen eine Seite angesteuert wird ja bestens KENNT, würde schon eine Analyse der eigenen Suchanfragen reichen (und diese werten sie ja permanent aus, siehe Suggest) um Brand-Traffic von Keyword-Traffic zu unterscheiden. Nichts anderes habe ich ja oben im Artikel auch gemacht – wenn auch mit dem sehr ungenauen Trends.
Julian Cordes
Sehr ausführlicher Beitrag. Selten leider in der SEO Landschaft und Deutschland.
Ob der Brand am Ende nun wirklich ein so großes Signal ist sehen wir wenn die Sache nach Deutschland und in andere Länder schwappt. Ich pers. glaube noch nicht so daran, aber man lässt sich gern überraschen.
Haben uns leider nicht auf der Campixx unterhalten, habe nur kurz mit Stefanie gequatscht, aber es wird ja noch mehr Veranstaltungen geben dieses Jahr.
Viele Grüße nach Berlin
Loewenherz
Gute Anregungen samt spannendem Blick in die SEO-Glaskugel. Danke!
Radicke
Interessante Untersuchung!
Das würde aber auch bedeuten, dass Google großen, bekannten Marken viel mehr Platz einräumt (also solchen, die u.a. auch viel Geld in Werbung stecken können, denn so wird Brand erzeugt…)
Das kann doch wohl nicht Absicht von Google sein, denn damit hätten ja kleine, gute Seiten kaum noch eine Chance…
Und eine bekannte Marke steht ja wirklich nicht automatisch für Qualität der Inhalte…
Ich glaube, dass das letzte Wort auch für ehow noch nicht gesprochen ist. Die haben nämlich (auch) eine Menge flacher Seiten mit extrem viel Werbung: siehe http://www.ehow.com/how_7325322_repair-motorbike-tire-punctures.html
Ich glaube übrigens, dass viele, viele tausend Seiten in den USA als Kollateralschaden abgestraft wurden (stimme nicht mit Johannes Beus überein). Meine kleine Hobbyseite mit ein paar tausend Visits am Tag hat es nämlich auch stark getroffen, und die ist bestimmt nicht unter den 300 von Johannes genannten…
Tom Zeithaml
Hallo Bert,
sehr interessanter Post und gut durchdacht. Sicherlich werden diese Kennzahlen in Zukunft immer mehr bewertet. Allerdings bin ich mir nicht 100% sicher, ob man daran Content Farmen erkennen kann. Nicht jede Seite die keine Brand ist, ist ja mit einer Contentfarm gleichzusetzen.
Außerdem gibt es ja zig Möglichkeiten wie man Seiten mit niedriger Qualität herausfinden kann. Als Beispiel würde ich die Anzahl neuer Seiten im Verhältnis zu neuen Links auch heranziehen. Wenn also eine Seite massenhaft Inhalt produziert und nicht verlinkt wird, scheint die Qualität auch nicht so hochwertig zu sein.
Nedim Sabic
Ich denk mir manchmal dass Google nichts zu tun hat, weil die SEOs den Job für sie tun mit den tollen Ideen was die noch machen könnten. 🙂
Ich denke dass spätestens nach dem Matt die Übersetzung von diesem Artikel liest, dass sie anfangen da rumzuschrauben. Schnell mal Firma umbennen und dreibuchstaben .de Domain kaufen. 😉
Ernsthaft, ist ein guter Ansatz und ich denke dass wird sehr schnell sehr aktuell werden, weil es total logisch ist.
Ingo Kroll
Sehr guter Post! Ich bin ja nun sehr gespannt, wen es hier erwischt. Es ist schon ein schmaler Grad, auf dem man wandelt 😉
Florian
danke – toll auf den punkt gebracht. Das ganze war klar dass es irgendwann so kommt – hat mich gewundert dass gg nicht schon vor 2 jahren es nicht eingeführt hat. Liegt wohl an der fehlende Konkurrenz bei den SE s.
Spannend wird finde ich im nischenbereich. Also bei brandsearches mit rel. niedrigen absoluten Volumen….. hotel sonnenhof ischgl…. ob das dann mehr zähl als expedia ….. wisst ihr was ich mein?